Es ist alles eine Frage der Bildung, und um sich mit guter Kunst umgeben zu können, müssen die Menschen lernen, das Schöne vom Hässlichen zu unterscheiden. (Louis Comfort Tiffany)
Louis Comfort Tiffany (1848-1933) war der bedeutendste Meister der dekorativen Künste im „goldenen Zeitalter“ Amerikas. Er war ein wahrer Visionär und einer der kreativsten und einflussreichsten Designer seiner Zeit. Seine facettenreiche Karriere erstreckte sich über mehr als ein halbes Jahrhundert, von 1870 bis in die Mitte der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Auch wenn der grösste Teil seiner Werke auf den Geschmack des späten 19. Jahrhunderts abgestimmt war, handelte es sich bei L.C. Tiffany um den ersten amerikanischen Designer, der im Geiste der Moderne arbeitete.
Louis Comfort Tiffany wurde am 18. Februar 1848 als ältester Sohn von Harriet und Charles Lewis Tiffany in New York City geboren. Charles Lewis Tiffany hatte 1837 in New York das Unternehmen Tiffany & Co. gegründet, das schon nach wenigen Jahren zum weltweit renommiertesten Lieferanten für Juwelen, Uhren und Silberwaren und zu einem in aller Welt bekannten Synonym für Luxus, herausragende Qualität, gutes Design und exzellenten Geschmack wurde. Um 1870 hatte sich die Hauptniederlassung auf der Fifth Avenue als der Ort etabliert, wo Staatsoberhäupter wie Königin Victoria von England, der Zar von Russland und der Vizekönig von Ägypten die Kostbarkeiten erwarben, die bei Staatsbesuchen überreicht wurden. 1900 beschäftigte Tiffany & Co. in seinen insgesamt vier weltweiten Niederlassungen über 1000 Mitarbeiter und Charles Louis Tiffanys Privatvermögen wurde auf 11 Millionen Dollar geschätzt.
Der junge Louis wuchs in einer Welt des guten Geschmacks auf. Zur Enttäuschung seines Vaters zeigte er jedoch kein Interesse daran, in das Familienunternehmen einzutreten. Er wollte sich statt dessen den bildenden Künsten und seiner eigenen Suche nach Schönheit widmen. Von 1862 bis 1865 besuchte Tiffany die Militärakademie Eagleswood in Perth Amboy, New Jersey. 1865 reiste er zum ersten Mal nach Europa. Die Reise führte ihn durch England, Irland, Frankreich und Italien. In London besuchte er das Victoria and Albert Museum mit seiner großartigen Sammlung römischer und syrischer Gläser, von der er zutiefst beeindruckt war. Heute besitzt dieses Museum auch eine prächtige Sammlung von Tiffany-Gläsern.
Nach seiner Rückkehr nach New York schrieb er sich für ein Jahr an der National Academy of Design ein, wo er 1867 in seiner ersten Ausstellung Gemälde zeigte, die auf seine Europareise zurückgingen. In dieser Zeit lernte er den berühmten amerikanischen Landschaftsmaler George Inness (1825-1894) kennen. Tiffany nahm lieber bei ihm privaten Malunterricht als an den Kursen der Akademie teilzunehmen. Inness weckte in Tiffany ein tiefes Interesse an der Natur. Tiffany Wunsch, nach Europa zurückzukehren, ging schon 1868 in Erfüllung. In Paris studierte er kurze Zeit bei dem Figurenmaler Léon-Charles Adrien Bailly ( 1826-1900), dessen Dogmatismus ihm jedoch nicht zusagte. Später, in den 1870er-Jahren, lernte er den Salonmaler Léon-Adolphe Auguste Belly (1827-1877) kennen, einen Vertreter des Orientalismus, der durch Darstellungen exotischer Kulturen und Orte bekannt geworden war. Bellys Gemälde übten einen starken Einfluss auf Tiffany aus, der sich Paris zu einem der amerikanischen Tradition verhafteten Landschafts- und Genremaler entwickelte.
Zurück in New York, begegnete er 1870 im Century-Club dem Künstler Samuel Colman (1832-1920), mit dem er sich anfreundete. Als sie sich im Jahr darauf in Granada trafen, reisten sie zusammen nach Ägypten und Nordafrika. Unter dem Einfluss des damals sehr populären Orientalismus malte Tiffany in Marokko, Tunesien und Algerien Landschaften und Marktszenen. Unter seinen Reiszielen scheint Nordafrika den größten Eindruck auf ihn gemacht zu haben. Tiffany war ein ehrgeiziger Maler und nahm in seinen frühen Jahren an nicht weniger als 27 Ausstellungen teil. 1870, im Alter von 21 Jahren, wurde Tiffany als außerordentliches Mitglied in die National Academy of Design in New York aufgenommen und zum Mitglied des Century-Clubs und der American Watercolor Society gewählt. 1877 gründete er zusammen mit den Künstlern John Singer Sargent, James McNeill Whistler, Thomas Eakins, Albert Pinkham Ryder und Augustus Saint-Gaudens die Society of American Artists, deren erster Schatzmeister er wurde. Ihm und den anderen Mitgliedern der Gesellschaft wird der Verdienst zugeschrieben, in der modernen amerikanischen Kunst dieser Zeit neue Maßstäbe gesetzt zu haben. 1880 wurde Tiffany in Anerkennung seiner Leistungen zum Vollmitglied der National Academy of Design gewählt.
Tiffanys Gemälde wurden geschätzt und als Kunstwerke anerkannt. Dennoch gab er die Malerei auf als er erkennen musste, dass er als Maler nicht die breite Anerkennung finden konnte, die er sich ersehnte und die ihm seinen gewohnten gehobenen Lebensstil gesichert hätte. Die stattliche Anzahl der handwerklich besser arbeitenden Maler seiner Zeit liess ihn schliesslich zu dem Entschluss kommen, sich auf einem anderen Gebiet zu profilieren, wo er sich nicht gegen so viel Konkurrenz behaupten musste. Da Tiffany vor allem als Glaskünstler berühmt geworden ist, ist sein Beitrag zur Entwicklung der amerikanischen Malerei weitgehend unbekannt geblieben. Erst in jüngerer Zeit findet Tiffany Anerkennung als bedeutender Maler. Die Retrospektive seiner Gemälde, die 1979 in der Grey Art Gallery der New York University gezeigt wurde, gab dem Publikum Gelegenheit, sein malerisches Werk aus heutiger Sicht neu zu beurteilen.
Quelle: Louis Comfort Tiffany von Jacob Baal-Tehuva ISBN 3-8228-6219-3